Jari Genser – Wonderland

Parallel Vienna, Otto-Wagner-Areal, Baumgartner Höhe 1, 1140 Wien

Opening: Dienstag, 05. September 2023, 17.00 – 22.00 Uhr
Messeöffnungszeiten:
Mittwoch,06.09.2023 bis Sonntag,10.09.2023, 13.00 – 20.00 Uhr

Jari Genser, Fragment 20/3, 2023, Öl auf Leinwand, 150 x 120 cm

“Wonderland” – unter diesem Titel lädt Jari Genser im Rahmen des Gallery Statement der Galerie 422 ein, in seine Bild-im-Bild-Welten einzutauchen und seine Installation als immersive Erfahrung zu erleben. Im Gespräch mit Marlene Poeckh (MP) verrät Jari Genser (JG) mehr über das Projekt, seine Bild-im-Bild-Idee und den Stellenwert von Zimmerpflanzen in seinen Werken.

MP: Wir haben dich eingeladen, unseren Raum bei der Parallel zu bespielen. Du hast ihn unter den Titel „Wonderland“ gestellt. Was erwartet uns?

JG: Der Buchtitel „Alice‘s Adventures in Wonderland“ und das mit der Geschichte verbundene Eintauchen in eine Fantasiewelt stellt einen wichtigen Bezugspunkt für mich dar. Ich stelle mir vor, dass man beim Betreten des Raumes in eine andere Welt eintaucht. Es soll eine immersive Erfahrung entstehen, die Besucher:innen die Möglichkeit gibt, dem Alltag in Richtung einer alternativen Welt zu entfliehen. Das Atelier, das immanenter Teil meiner Werke ist, fungiert als Spiegel meines künstlerischen Schaffens. Es ist mein Laboratorium und gleichzeitig mein Rückzugsort.

MP: Wie gehst du an die Vorbereitung dieses Projekts heran?

JG: Ich bereite mich immer auf die gleiche Weise auf meine Projekte vor: Ich sammle ständig Ideen. Beispielsweise dokumentiere ich jeden Tag meine laufenden Projekte. Die Fotografie dient mir als Mittel der Dokumentation und gleichzeitig gibt sie mir auch wieder neue Impulse. In Gesprächen mit euch entstand die Idee, für die Parallel ein Bildsujet in vier Fragmente aufzuteilen. Die gesamte Arbeit existiert erstmals nur als Installation und nicht wie bisher als Malerei.

MP: Welche Vorteile, aber auch Herausforderungen, kann die Zusammenarbeit mit einer Galerie mit sich bringen?

JG: Im Gegensatz zu meinem Artist-Statement vor einigen Jahren habe ich in diesem Jahr mehr Vorlaufzeit und arbeite mit euch, der Galerie 422, zusammen. Zudem verfolge ich diesmal anders als bei meinem damaligen reduzierten Konzept einen viel umfangreicheren Ansatz. Durch die Zusammenarbeit kann ich mich auf die Produktion konzentrieren und viele andere Aufgaben, die im Hintergrund passieren, werden mir abgenommen. Wir arbeiten gemeinsam an meinem Wonderland.

Jari Genser, Ich male um herauszufinden was ich sehe, 2023, Öl auf Leinwand, 200 x 200 cm

Jari Genser, Fragment 20/1, 2023, Öl auf Leinwand, 150 x 120 cm

MP: Die Bild-im-Bild –Idee, die auch anhand unterschiedlicher Werke bei der Parallel zu sehen sein wird, zeichnet dein Oeuvre aus. Aktuell blickst du auf 20 Bild-im-Bild-Arbeiten zurück. Kannst du mir ein wenig erzählen, wie diese Idee entstand und sich über die Jahre entwickelt hat?

JG: Im Jahr 2012 habe ich mein erstes Bild mit Öl auf Leinwand gemalt, nach einem Foto, das einen Friedhof in Griechenland zeigt. Während des Malens dokumentierte ich meinen Fortschritt laufend mit der Kamera. Mit dem fertigen Bild war ich aber unzufrieden und wollte es unbedingt besser machen. Darum verwendete ich eines der Fotos, das mein Bild unfertig in meinem damaligen Atelier zeigte, als Vorlage für das nächste Werk. So entstand die Idee des Bild-im-Bild. Die gesamte Serie beruht auf dem Prinzip der Wiederholung. Diese ist zentrales Motiv, es ändert sich aber auch bei jedem Werk etwas. So gibt es beispielsweise auch keinen einzigen Gegenstand, der in allen Bildern zu sehen ist.

MP: Wie geht es dir dabei, über dich und dein Werk zu lesen?

JG: Als Künstler:in ist man in den meisten Fällen ein/e Einzelkämpfer: in und bekommt oft gar nicht so viel Rückmeldungen über das eigene Schaffen von Außenstehenden. Es freut mich, wenn kluge Leute über mich schreiben und ich so beim Lesen eine neue Perspektive auf meine künstlerische Arbeit gewinne. Gleichzeitig ist es auch befremdlich, über sich selbst in dritter Person zu lesen, aber vielleicht vergeht das mit der Zeit (schmunzelt).

MP: Ich möchte gerne deine Aussage „Künstler:innen sind Einzelkämpfer:innen“ aufgreifen und rückfragen: Ist das wirklich so?

JG: Für viele der Künstler:innen, mit denen ich befreundet bin, ist das so. Natürlich gibt es auch Kolleg:innen, die sich in Kollektiven zusammenfinden, aber die Mehrheit arbeitet alleine. Manchmal erinnere ich mich an die Zeiten an der Universität zurück, wo ein reger Austausch stattgefunden hat – und wünsche mir auch ab und an mehr Kontakt und Zusammenarbeit mit Anderen – aber letzten Endes glaube ich, bin ich nicht der Typ für Gemeinschaftsprojekte, dafür genieße ich die Zeit allein im Atelier zu sehr.

Jari Genser, Fragment 20/4, 2023, Öl auf Leinwand, 150 x 120 cm

Jari Genser, Fragment 20/2, 2023, Öl auf Leinwand, 103,5 x 120 x 53,5 cm

MP: Deine Arbeitsweise ist stark konzeptbasiert – dein Vorgehen durchgeplant. Wie gehst du damit um, wenn es doch zu einer Blockade kommt?

JG: Blockaden sind bei meiner Arbeitsweise eher selten. Ich schätze den Umstand an meinem Beruf als freischaffender Künstler, dass ich, im Gegensatz zu anderen Anstellungsverhältnissen, nicht bis zum Dienstende bleiben muss. Ich kann mir die Freiheit herausnehmen, einfach zu gehen, wenn ich nicht weiterkomme und am nächsten Tag weiterzuarbeiten. Doch grundsätzlich gestalte ich meinen Arbeitsalltag sehr geregelt. Daher ist es mir wichtig, dem Missverständnis, das Kunst ausschließlich mit Leidenschaft verbunden ist, entgegenzuwirken. Wenn man etwas beruflich macht, kann man nicht immer mit Leidenschaft bei der Sache sein. Es gibt auch Phasen, da fühle ich mich nicht motiviert, oder es fehlt mir die Inspiration. Beim Malen selbst kehrt die Lust am Schaffen jedoch schnell zurück.

MP: Viele deiner Bild-im-Bilder tragen den Titel „Strafe“. Gibt es irgendwelche Sünden, die du büßt oder bezieht sich „Strafe“ auf etwas ganz anderes?

JG: Ja, so in etwa (lacht). Ich habe Bild 0, die Malerei vom Friedhof, das ich bereits erwähnte, mit dem Titel „Verbrechen“ versehen. Von Bild 1 bis Bild 13 trugen die Arbeiten den Titel „Strafe“, inspiriert von Fjodor M. Dostojewskis „Strafe und Verbrechen“. Mit jedem einzelnen Werk büße ich – meine Malerei ist eine Sisyphusarbeit (lacht). Ab Bild 14 hat sich der Titel nicht mehr richtig angefühlt und fortan habe ich den folgenden Werken andere Titel gegeben. Beispielsweise sind Gegenstände in den Bildern namensgebend oder auch Titel von Klassikern der Kunstgeschichte, die mir als Inspirationsquelle gedient haben. Hier denke ich beispielsweise an „Le Radeau“, das Floß der Medusa, das mich während meiner Zeit in Paris beschäftigt hat und das ich in unserer gemeinsamen Ausstellung 2021 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert habe.

MP: Begriffe wie „inventarisieren“, „strukturieren“ und „ordnen“ spielen eine Rolle in deinem Werk. Zieht sich der Ordnungsgedanke auch durch dein Leben abseits der Kunst oder gibt es bei dir auch „Räume für Chaos und Unordnung“?

JG: Der Begriff der Ordnung ist sehr subjektiv. Natürlich gibt es auch Räume für Unordnung – wer hat das nicht (lacht). Beispielsweise empfinden Liebhaber:innen des skandinavisch reduzierten Designs meine Arbeiten als unordentlich. Sie sind sehr voll und mit der Fülle wird der Begriff der Unordnung oft gleichgesetzt. Diese „Unordnung“ ist eine inszenierte. Ich male fotorealistisch und nach jeder Session – am Ende eines Arbeitstages – mache ich Fotos und dokumentiere mein Tagewerk. Manchmal auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Wenn ich das Gefühl habe, dass das Motiv der Ausgangspunkt für meine nächste Arbeit sein könnte, orchestriere ich das Ganze so weit, bis mir die Komposition gefällt.

MP: Ich möchte gerne deine Aussage „Künstler:innen sind Einzelkämpfer:innen“ aufgreifen und rückfragen: Ist das wirklich so?

JG: Für viele der Künstler:innen, mit denen ich befreundet bin, ist das so. Natürlich gibt es auch Kolleg:innen, die sich in Kollektiven zusammenfinden, aber die Mehrheit arbeitet alleine. Manchmal erinnere ich mich an die Zeiten an der Universität zurück, wo ein reger Austausch stattgefunden hat – und wünsche mir auch ab und an mehr Kontakt und Zusammenarbeit mit Anderen – aber letzten Endes glaube ich, bin ich nicht der Typ für Gemeinschaftsprojekte, dafür genieße ich die Zeit allein im Atelier zu sehr.

Impression Atelier Jari Genser